Im Deutschunterricht beschäftigte sich die Klasse 6.2 eine Zeit lang mit dem Thema „Lügengeschichten“.
Wir erfuhren, dass die Lügengeschichten seit vielen Jahrhunderten sehr beliebt sind. In einer Lügengeschichte will der Erzähler seine Leser nicht wirklich täuschen, sondern unterhalten. Die Leser dürfen also merken, dass ihnen nicht die Wahrheit erzählt wird.
Berühmt sind die Abenteuergeschichten des Barons von Münchhausen. Viele interessante Aufgaben begleiteten uns rund um seine Geschichten und machten uns viel Spaß. Auch moderne Lügengeschichten lasen wir gerne. Am besten gefiel uns die Geschichte von Paul Maar „Eine gemütliche Wohnung“.
Nachdem wir viele Lügengeschichten gelesen und nach ihren Merkmalen untersucht hatten, bekamen wir die spannendste Aufgabe. Wir sollten in Gruppen selbst eine Lügengeschichte schreiben. So entstand ein kleines Lügengeschichtenbuch der Klasse 6.2.
Hier sind zwei unserer Geschichten. Viel Spaß beim Lesen!
Evelyn, Klasse 6.2
Liebe Kinder, als ich in eurem Alter war, da wurde in unserer Stadt Berlin ein neuer Bürgermeister der besonderen Art gewählt. Wie ihr wisst, hat der Bürgermeister vielfältige Aufgaben. Er ist Vorsitzender im Gemeinderat und zugleich Leiter der Verwaltung.
Ihr fragt euch jetzt, was das Besondere an unserem neuen Bürgermeister war. Es ist kaum zu glauben, aber das ist wirklich die lautere Wahrheit. Unser neuer Bürgermeister war ein Schwein Namens Kunibert Augustus von der Nuss. Und der Gemeinderat bestand nur aus Schweinen. Natürlich waren das alles ausgebildete Schweine. In meiner Jugendzeit durften die Tiere so wie Menschen eine Ausbildung bekommen. Die Universitäten waren voll mit verschiedenen Kaninchen, Hunden, Katzen und Schweinen.
Ab jetzt werdet ihr euren Ohren nicht mehr trauen, aber das ist die absolute Wahrheit, weil ich das alles mit eigenen Augen sah. Von nun ab ging in der Stadt alles irgendwie schweinisch vor sich.
Als Erstes durften wir kein Schweinefleisch mehr essen. Damit hatte ich kein Problem, weil ich mich sowieso vegetarisch ernähre.
Frauen sollte man mit Sau anreden und Herren mit Eber. Meine Eltern wurden also zu Sau Schmidt und Eber Schmidt. Uns Kinder nannte man Ferkelchen. Begrüßen sollten sich alle mit „Oink Morgen!“, „Oink Tag!“, „Oink Abend!“ und zum Schlafen wünschten wir uns „Oink Nacht!“. Das gefiel mir sogar, weil es anfangs noch sehr lustig war.
Was ich noch lustig, aber nicht so bequem fand, war, dass jeder auf allen Vieren laufen sollte und dabei mit dem Po wackeln musste.
Powackeln wurde zur großen Kunst. Es gab sogar ein Spiel „Mensch, wackele den Po richtig“. Ich möchte nicht angeben, aber ich galt als Profi in diesem Spiel.
Stellt euch vor, man brauchte auch Schuhe für Hände. Es gab so viele Schuhgeschäfte mit schönen Schuhen und Händeschuhen. Ja, man nannte sie Händeschuhe. Ihr wisst, dass Handschuhe zum anderen Zweck dienen, nicht zum Laufen. Ich persönlich hatte schicke Händeschuhe aus blauem Samt mit kleinen Absätzen.
Ihr werdet mir glauben, wenn ich sage, dass die Schlammfreizeitbäder sehr populär waren. Wir Kinder hatten so viel Spaß, in so einem Bad Zeit zu verbringen: im Schlammwasser verschiedener Farben baden und von einer großen Rutsche ins Schlammwasser und in die Matschepampe rutschen. Besonders beliebt war Pampeballschlacht. Mein Vater und ich spielten es sehr gerne. Außerdem verschrieb meine Mutter als Ärztin ihren Patienten das Schlammbad bei Erkrankungen der Nerven, Gelenke und Knochen.
Nicht alle Verordnungen unseres neuen Bürgermeisters gefielen den Menschen. Deshalb blieben die Schweine auch nicht sehr lange an der Macht. Diese Zeit blieb mir sowie allen Berlinern aber fest in Erinnerung.
Viele Autoren schreiben die Unwahrheit und speisen ihre Leser mit geschmacklosen Lügen ab. Solche Leute haben offensichtlich keine Ahnung von Geschichten und wie sie geschrieben werden. Aber ich schreibe nur die Wahrheit, das verspreche ich euch.
In meinem Leben gab es viele abenteuerliche Erscheinungen und ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie alle haarsträubend sind. Doch diese Begebenheit ist die haarsträubendste von allen. Damals spielte ich mit Leidenschaft Videospiele. Sogar in der Nacht suchte ich mir meine Controller heraus und spielte. Häufig ging ich shoppen und kaufte mir außer Lebensmitteln auch Spiele. Heute war mal wieder einer dieser Tage. Ich steuerte am Supermarkt vorbei und an einen Laden, wo ich ein Spiel kaufte. Zu Hause steckte ich sogleich den Stecker in die Steckdose. Ich hatte nur Steckdosen, welche so groß wie eine Murmel waren. Es war schwierig den Stecker herein zu stecken. Dafür brauchte ich etwa eine halbe Stunde. Dann kochte ich mir eine schöne Suppe. Diese war wenigstens sicherer als Kartoffeln. Letztes Mal war ich so vertieft beim Spielen, dass ich die größte Kartoffel ganz hinuntergeschluckt hatte. Leider war sie mir nicht bekommen und ich hatte damals Magenschmerzen bekommen.
In dem interessanten Spiel ging es um kleine Räuber, vor denen ich weglaufen sollte. Doch in dem Moment, wo ich gerade gewinnen konnte, sprang mich einer dieser kleinen Rabauken an. Vor Schreck fiel ich vom Stuhl und starrte den Räuber an, welcher jetzt ein Bad in meiner Suppe nahm. Ich konnte es kaum glauben, doch plötzlich rief er: „Wie eklig! Was ist das für eine schleimige Brühe?“ Ich war sprachlos, aber ich antwortete höflich: „ Das ist meine Suppe.“ Man soll ja bekanntermaßen freundlich gegenüber Fremden sein. Der Kleine sprang aus der Suppe und stierte mich an. Dann marschierte er geradewegs zu meinen schönen Büchern und holte eine Schere heraus, die so klein wie eine Mücke war. Voller Seelenruhe begann der kleine Räuber meine Bücher zu zerschneiden, wobei er vor sich hin pfiff. Als ich meine Fassung wieder erlangt hatte, sprang ich zu meinem Bücherregal. Aber er war einfach schneller und fing an den Boden mit der Schere zu ritzen. Ich bekam es mit der Angst um meine schöne Wohnung.
Ich liebe Abenteuer, doch dieses gefiel mir ganz und gar nicht. Und die Vorstellung in so etwas ähnlichem wie in einer Räuberhöhle zu leben, schreckte mich ab. Deshalb lief ich nach dem Wohnzimmer. Dort grapschte ich den Staubsauger und rannte, was ich konnte zurück. Der Räuber hatte schon ein paar Ritzen in den Boden gekratzt und meine Bücher lagen zerfetzt überall herum. Ich mühte mich ein wenig mit dem Stecker ab. Als er endlich festgeheftet war, richtete ich den Staubsauger auf das Monster, welches mein Zimmer ruiniert hatte. Und mit einem kleinen Aufschrei wurde er eingesaugt. Nach diesem Vorfall spielte ich nie wieder Videospiele, denn ich hatte nicht vergessen, wie ich mein Zimmer ein halbes Jahr lang aufgeräumt hatte. Es hatte darin wie in einem Schweinestall ausgesehen. Damit so etwas mit euch nicht passiert, habe ich diese Geschichte geschrieben. Und das ist die völlige Wahrheit, so wahr wie dass ich lebe.