„Bekomme ich eigentlich mein eigenes Zimmer?“ Nur wenige Wochen vor Beginn der Austauschfahrt in die Niederlande wurde meine Vorfreude immer mehr von extremer Nervosität abgelöst, denn erst da wurde mir richtig bewusst, was mir bevorstand. Zugegeben, es handelte sich dabei nicht um einen zweijährigen Austausch in die Mitte des Nirgendwo, doch eine Woche in der niederländischen Stadt Groningen erschien mir in diesem Moment nicht minder aufregend. Schon der Gedanke, alleine unter dem Dach einer fremden Familie zu wohnen und in ihr Leben einzudringen, löste in mir Unbehagen aus. Immerhin kannte ich meinen Austauschschüler Remco bereits seit seinem Besuch im Herbst – ein Lichtblick.

Während ich im Bus versuchte, nach außen nicht nervös zu wirken, keimten in mir wieder die Zweifel. Das Klassische: „Was ist, wenn ich kein eigenes Zimmer bekomme?“ und zum ersten Mal: „Vielleicht gefallen meinen Gasteltern die Geschenke nicht?“. Wobei wir, also die Berliner, bei der Auswahl der Mitbringsel klar im Vorteil waren. Wir konnten uns nämlich an den Präsenten orientieren, die uns unser jeweiliger Austauschschüler ein knappes halbes Jahr zuvor mitgebracht hatte.

Wie ich so vor mich hingrübelte, fuhr unser Bus schon in Groningen ein, spuckte uns am vereinbarten Treffpunkt aus und es gab kein Zurück mehr.

Bereits am gleichen Abend bereute ich das ganze Hin und Her. Ich bekam mein eigenes Zimmer, und zwar das meines Austauschschülers, der während der Zeit im Zimmer seines Bruders schlief, der wiederum im Zimmer seiner Schwester nächtigte. Wo diese aber während der Woche die Nacht verbrachte, weiß ich bis heute nicht.

Nebenbei, meine Gastgeschenke – ausgefallene Wohnaccessoires aus dem Prenzlauer Berg und Pralinen – kamen sehr gut an.

Die folgende Woche verging leider wie im Flug, vor allem aufgrund der vielen tollen gemeinsamen Erlebnisse.

Am zweiten Tag widmeten wir uns Groningen, einer schönen und kleinen Stadt, die von Fahrrädern überflutet ist (auf knapp 200.000 Einwohner kommen sage und schreibe 300.000 Fahrräder).

Den Mittwoch verbrachten wir in dem wenige Stunden entfernten Amsterdam, dem Touristen-Hotspot der Niederlande schlechthin. Von einer Grachtenfahrt, einem kurzen Abstecher in das weltberühmte Rijksmuseum und einem individuellen Stadtrundgang war alles dabei, um in der Masse der anderen Touristen unterzutauchen.

Am Donnerstag wurde es dann wieder ein bisschen ruhiger. Unsere Austauschschüler mussten nämlich eine jüngere Klasse im Rahmen der Austauschwoche unterrichten. Da hieß es also für mich und meine Gruppe, Kuchen zu backen und die Niederlande mit Deutschland zu vergleichen. Anschließend erzählten wir den Schülern noch etwas über das Leben in einer Großstadt wie Berlin.

Doch die Ruhe des Tages währte nicht lange, denn schon am Freitag hieß es:“Fahrradtour“. Auch wenn ich während der vergangenen Tage bereits genug auf dem Sattel meines (von meinem Austauschschüler gestellten und fast schrottreifen) Fahrrades gesessen hatte, war die Rundfahrt über eine nahezu unberührte Insel inmitten der Nordsee ein besonderes Erlebnis. Wenn es nicht gerade regnete, war die raue und ursprüngliche Landschaft einfach überwältigend. Am Abend folgte schließlich die Abschlussparty mit unseren Schülern und allen Austauschschülern in einem Club in Groningen.

Übrigens, ich habe mich mit meinem Austauschschüler in Berlin darauf geeinigt, dass der Gastgeber den Großteil der Ausgaben für Essen und sonstiges übernimmt. Dadurch musste ich einerseits weniger Geld mit in die Niederlande mitnehmen (ich habe insgesamt nur knapp 50€ ausgegeben von 150€, die ich mitgenommen hatte) und man erspart sich das Risiko, plötzlich ohne Bargeld dazustehen. Diese Verfahrensweise ist also meiner Meinung nach sehr empfehlenswert.

Ein anderer überlebenswichtiger Aspekt ist auf jeden Fall regendichte Kleidung mitzubringen. Vor allem auf dem Fahrrad ist man schneller komplett durchnässt, als man denkt und bei durchschnittlich 40 Minuten Fahrt gestaltet sich dieser Umstand als ungemein unvorteilhaft. Aber keine Angst, meine Gasteltern haben mir versichert, dass zu dieser Jahreszeit normalerweise weniger Regen fällt.

Allen, die zukünftig auch in die Niederlande fahren, wünsche ich viel Spaß und: Ich beneide euch!

Julius Roth